Sekundarschule Affeltrangen anno dazumal . . .

Verein der ehemaligen Schüler der Sekundarschule Affeltrangen

Josef Wiesli - Sekundarlehrer von 1956 bis 1983 - hat mir wertvolle historische Dokumente aus der langen Geschichte der Sekundarschule Affeltrangen geschenkt, darunter auch ein Protokollbuch des Vereins ehemaliger Schüler der Sekundarschule Affeltrangen.

Die Gründungsversammlung findet am 1. Mai 1910 in der Kirche Affeltrangen statt. Erster Präsident ist der ehemalige Sekundarschüler und spätere berühmte Pädagoge Professor Dr. Johann Ulrich Schmidt, der in St.Gallen das renommierte «Internationale Erziehungsinstitut Dr. Schmidt» gründet. Johann Ulrich Schmidt wächst in Buch auf.

Bis 1918 treffen sich die Ehemaligen jährlich zu ihrer Jahresversammlung, auch während des Krieges. Bis zum 75-Jahr-Jubiläum der Sekundarschule im Jahr 1934 finden die Versammlungen in den Jahren 1922, 1923, 1927, 1930 und 1933 statt. Dann folgen längere Unterbrüche. Die Protokolle stammen aus den Jahren 1937, 1947, 1952 und 1958. Im Jahr 1959 feiert die Sekundarschule ihr 100-Jahr-Jubiläum.

Danach folgen nur noch drei Versammlungen in den Jahren 1965 und 1970 (2 Versammlungen zur Vorbereitung der Einweihung des neuen Sekundarschulhauses). Die letzte Versammlung erfolgt im Jahr 1984 aus Anlass des 125-Jahr-Jubiläums der Sekundarschule. Der Verein löst sich offensichtlich klammheimlich auf. Leider!

Ein einzigartiges Dokument ist in diesem Protokollbuch verewigt: die Festansprache von Pfarrer Eduard Schuster, die er am 5. Mai 1884 zum 25-Jahr-Jubiläum hält. Diese Rede taucht 1935 auf, ein Jahr nach dem 75-Jahr-Jubiläum. Sie wird dem Verein von Frau Schuster zur Abschrift überlassen. Ein Mitglied des Ehemaligenvereins schreibt sie erst am 20. April 1938 ab. Das Original in Pfarrer Schusters Handschrift ist nicht mehr vorhanden. Hingegen ist die Abschrift in Schreibmaschinenschrift im Protokollbuch des Ehemaligenvereins zum Vorschein gekommen. Pfarrer Schuster (1858 - 1935) ist von 1881 bis 1899 evangelischer Pfarrer in den Kirchgemeinden Affeltrangen und Märwil, von 1899 bis 1909 Pfarrer in Stettfurt, von 1881 bis 1904 kantonaler Schulinspektor, von 1881 bis 1899 Präsident der Sekundarschule Affeltrangen und als Krönung seiner beruflichen Laufbahn von 1909 bis 1928 Direktor des Lehrerseminars Kreuzlingen.


  • Lebenslauf des berühmten ehemaligen Sekundarschülers

    Ein berühmter ehemaliger Schüler der Sekundarschule Affeltrangen · Eintritt Schuljahr 1873
    Professor Dr. Joh. Ulrich Schmidt (23. März 1860 – 28. Februar 1924) geboren und aufgewachsen in Buch und Eutenberg
    Erster Präsident des Ehemaligenvereins

    Der Text stammt von Heinz Roggenbauch, Autor des Buchs «Lebens- und Kulturraum Lauchetal»

    «Ein Pädagoge von Weltruf», so steht es auf einer Gedenktafel am Hause Rebenstrasse 8 in Buch bei Märwil. In jenem Hause wurde er als ältestes von neun Kindern geboren und wuchs daselbst bei seinen Eltern, einer währschaften Bauernfamilie, auf. Die Primarschule besuchte er in Buch-Schmidshof, die Sekundarschule in Affeltrangen. Der katholische Pfarrer der Region erkannte im heranwachsenden Knaben ausserordentliche Begabungen. Er empfahl seinen Eltern, ihren erstgeborenen Sohn nach den Grundschulen studieren zu lassen. Er, der Pfarrer, unterrichtete diesen aufgeweckten Jungen in Latein. Die Begabungen, die der Pfarrer zu erkennen glaubte, sollten – wie wir noch erfahren werden – reiche Früchte tragen.

    Der Name des Knaben war Ulrich Schmid, der spätere Prof. Dr. Joh. Ulrich Schmidt (23.3.1860 – 28.2.1924). Während seine Eltern, J.U. und E. Schmid-Hess, bei ihrem angestammten Namen blieben, fügte der Junior seinem Nachnamen schon im Knabenalter ein «t» an. Nach der Sekundarschule absolvierte Ulrich ein Welschlandjahr; anschliessend durfte er die Kantonsschule in Frauenfeld besuchen und studierte romanische Sprachen und Englisch. Mittlerweile – 1876 – waren seine Eltern nach Eutenberg gezogen.

    Da die Mittel zu einem Hochschulstudium fehlten, wollte er sich diese Möglichkeit selbst erarbeiten. Er nahm eine Stelle als Stationsgehilfe in Bischofszell bei der Lokalbahn Gossau-Sulgen an. Nach einigen Jahren erkannte er aber, dass sein wahres Wirkungsfeld die Schule war. 1880 zog er im jugendlichen Alter von 20 Jahren nach London, wo er eine Lehrstelle für kontinentale Sprachen an der «Forest Hill Middle Class School» erhielt. Mit sehr guten Berufszeugnissen kam er nach drei Jahren zurück in die Schweiz und erhielt eine Stelle als Lehrer für Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Kalligraphie am «Institut Schmutz-Moccand» in Rolle. Um seine Italienischkenntnisse zu vervollständigen, konnte er wiederum als Sprachlehrer ein Jahr am «Collegio Misto» in der Nähe von Pisa arbeiten. Parallel dazu begann er, Vorlesungen an der dortigen Universität zu besuchen.

    Aus seinen bisherigen Arbeitseinsätzen als Lehrer hatte sich Ulrich Schmidt eine finanzielle Grundlage geschaffen, die es ihm nun als 25-Jähriger erlaubte, an der Universität Zürich seine Studien aufzunehmen und 1888 als Doktor der Philosophie abzuschliessen. Kurz zuvor erwarb er sich noch ein Diplom für den Unterricht des Französischen und Englischen an höheren Lehranstalten. Gestützt auf seine umfassende Ausbildung wurde ihm, dem jungen Doktor Schmidt, im April 1888 ohne weitere Prüfungen das Reallehrerpatent für den Kanton St. Gallen erteilt. Gleich anschliessend wählten ihn die st.gallischen Behörden als Lehrer für Französisch, Englisch und Geographie an die Mädchenrealschule «Talhof» in St. Gallen.

    Ein Jahr zuvor, 1887, wurde Dr. Schmidt Präsident des «English Club» in Zürich. Hier lernte er die sympathische junge Frau, Martha Reiser, kennen, die ihrerseits in Sprachen und Musik – welch sinnvolle Fügung für die spätere Tätigkeit – ausgebildet war. Aus Freundschaft wurde Liebe. Nachdem Dr. Schmidt über eine hervorragende Ausbildung verfügte und in St. Gallen eine feste Anstellung erhielt, fühlte er sich sicher, eine Ehe auf seriöser finanzieller Basis eingehen zu können. Dem Ende Juli 1888 geschlossenen glücklichen Ehebund entsprossen vier Töchter und zwei Söhne.

    Neben seiner Arbeit an der Mädchenrealschule Talhof betrieb das Ehepaar Schmidt-Reiser die Pension «Löwenhof» am Rosenberg, wo sie jungen Burschen Sprachunterricht erteilten. Als die Schülerzahl auf 22 anwuchs, wandelten sie diese Pension 1891 in ein Knabeninstitut um. Im gleichen Jahr kündigte Dr. Schmidt sein Arbeitsverhältnis mit der genannten Mädchenschule, um sich mit seiner ebenfalls arbeitsfreudigen Ehefrau ganz dem «Internationalen Erziehungs-Institut Dr. Schmidt» zu widmen. Die Schülerzahl stieg kontinuierlich an, was nach zusätzlichem Schulraum rief. Dank einem Darlehen seines Schwiegervaters konnte ein weiteres Gebäude erworben und ein Neubau erstellt werden. 1893 zählte das Institut bereits 70 Schüler.

    Das pädagogische Geschick von Dr. Schmidt, die tatkräftige Unterstützung durch seine Gemahlin und die tüchtigen Mitarbeiter waren Eckpfeiler des Erfolges. Hinzu kamen auch die Qualität der Ausbildung und die Tatsache, dass an diesem Institut nicht nur Wissen vermittelt wurde, sondern die jungen Menschen zu ausgewogenen Persönlichkeiten mit ausgeprägter Sozialkompetenz und hohem Mass an Selbstdisziplin erzogen wurden. Dabei hielt sich Dr. Schmidt an den Erziehungsgrundsatz von Heinrich Pestalozzi: «Das Ziel aller Erziehung ist, zu lernen das Leben zu gestalten.» Es kommt daher nicht von ungefähr, dass ihm Persönlichkeiten wie Puccini, d’Annunzio, Segantini, Ritz, Montgolfier und viele andere ihre Söhne zur Erziehung und Ausbildung anvertrauten.

    Das Institut wuchs kontinuierlich und betreute im Jahre 1908 rund 300 interne und 30 externe Schüler mit gegen 35 Lehrkräften; es ist so zu einem mehrgebäudigen Grossunternehmen der Stadt St. Gallen geworden.

    Die besonderen Eigenschaften des Dr. Joh. Ulrich Schmidt wurden auch in der Öffentlichkeit erkannt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er in den städtischen Schulrat gewählt, gehörte der Realschulkommission an und führte auch das Präsidium des Kreisschulrates C. Als aktiver Staatsbürger hat er auch politische Verantwortung übernommen. Zu ihm passte das Gedankengut der Freisinnig-demokratischen Partei; hier wurde er bald zum städtischen Parteipräsidenten gewählt. Von 1912 bis 1921 war er Mitglied des Grossen Rates des Kantons St. Gallen und drei Jahre lang Vizepräsident der staatswirtschaftlichen Kommission.

    Der nahende erste Weltkrieg 1914 – 1918 zeitigte erste Risse im Unternehmen. Die Schülerzahlen begannen abzunehmen, was nach und nach zu finanziellen Engpässen führte. Während des Krieges wurden Ehemalige teilweise zu Gegnern und mehrere kamen im Kriege um. Diese Entwicklung machte Dr. Schmidt grosse Sorgen und könnte ein Grund gewesen sein, dass ab 1921 ein Lungenleiden einsetzte, welches sich als Lungenkrebs erweisen sollte.

    Jedes Leben hat ein Ende. Zunächst aber durfte diese herausragende Persönlichkeit nochmals Freude erleben. Sein ältester Sohn Huldi hatte 1921 sein Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen und wurde wie sein Vater Doktor der Philosophie. Trotz aller ärztlichen Kunst konnte das Lungenleiden nicht mehr geheilt werden. Am 28. Februar 1924 schloss Dr. Joh. Ulrich Schmidt für immer die Augen; drei Jahre später folgte ihm seine geliebte Gattin in die ewige Ruhe an ihrem Wirkungsort St. Gallen.

    Sein Sohn Huldi war damals der Unternehmensführung nicht mächtig. Dennoch, dank allergrösster Anstrengungen und mit Unterstützung von Freunden, gelang es ihm in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre, die Schülerzahlen wieder bis auf 100 zu steigern. Die Weltwirtschaftskrise von Ende der 1920er-Jahre führte dann aber dazu, dass das Werk von Dr. Schmidt sen. 1930 in eine AG umgewandelt werden musste. 1934 verliess Dr. Schmidt jun. St. Gallen, um sich an den Gestaden des Genfersees niederzulassen. Hier gründete er ein eigenes Institut, das nach seinem Tode von seinem Sohn weitergeführt wurde.

    Das Institut auf dem Rosenberg musste trotz vieler Schwierigkeiten, die aus den wirtschaftlichen und politischen Problemen jener Zeit herrührten, nie geschlossen werden. Ab Mitte der 1930er-Jahre konnte diese Bildungsstätte zu neuer Blüte geführt werden; dies dank einer Familie Gademann aus Zürich, die dieses Unternehmen bereits in vierter Generation führt. Aktueller Verwaltungsratspräsident ist Bernhard O.A. Gademann, aktuelle Geschäftsführerin ist Frau Monika A. Schmid. Derzeit bildet das Institut 260 interne und 35 externe Schülerinnen und Schüler aus; diese stammen aus mehr als 30 verschiedenen Ländern.

    Um den 20. März 1960, wie wir einem Artikel des Thurgauer Tagblattes vom 22.3.1960, entnehmen, wurde der 100. Geburtstag des Dr. Joh. Ulrich Schmidt in einem würdigen Rahmen gefeiert. Am Abend vor der Feier in Buch besuchte eine Gruppe von «Schmidtianern» Schloss und Gut Arenenberg und wurde am Abend in Frauenfeld vom damaligen Regierungsratspräsidenten und Erziehungsdirektor E. Reiber herzlich begrüsst und willkommen geheissen. Der Feier in Buch wohnten neben den Ehemaligen eine grössere Zahl von Bewohnern von Buch, Märwil, Affeltrangen und Zezikon bei. Festreden hielten der Ortsvorsteher von Buch, Hans Iseli, der Gemeindeammann der Munizipalgemeinde Affeltrangen, A. Bolli und Jakob Haffter aus Märstetten, ein Ehemaliger und Organisator dieser Feier. Sie alle würdigten Leben und Werk des Geehrten. Die Dorffeier wurde mit Liedern der Bucher Schüler sowie Beiträgen der Musikgesellschaft Märwil umrahmt. Der dritte Teil der Feier bestand im Besuch der Gräber von Dr. Schmidt und seiner Gattin in St. Gallen sowie dem Besuch des Instituts Rosenberg.

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