Sekundarschule Affeltrangen anno dazumal . . .

Erinnerungen

Diese Seite wird im Laufe der Zeit wachsen. Geplant sind Erinnerungen von ehemaligen Schülern und Lehrern an ihre Sekundarschulzeit in Affeltrangen.

Leiden und Freuden eines Schulmeisters

1838/39 publiziert Albert Bitzius in der Wagner’schen Buchhandlung in Bern unter dem Pseudonym Jeremias Gotthelf (vorerst Peter Käser) den zweibändigen Roman «Leiden und Freuden eines Schulmeisters». Auch in seinem zweiten Roman setzt sich Bitzius mit den sozialen und politischen Problemen seiner Zeit auseinander und übt in scharfer Tonart Gesellschaftskritik – diesmal an den Missständen im bernischen Schulwesen. Von den Behörden, den führenden Pädagogen der damaligen Zeit und den Lehrern wird der Roman eher ungnädig aufgenommen. Karl Bitzius wirft seinem Cousin Albert daher vor, «Provokationen auf alle Seiten» auszuteilen und sich dadurch unzählige «Feinde aus der Erde zu stampfen». Bitzius antwortet, er schreibe ausschliesslich um der Wahrheit willen. Die Kritik, die der Schulmeisterroman beinhalte, habe durchaus ihre Berechtigung. 


182 Jahre später - 2021 - wäre vielleicht wieder einmal ein kritisches Buch über das Erziehungswesen im 21. Jahrhundert fällig. Ich schwelge lieber in Erinnerungen. Wer weiss, vielleicht schreibe ich einmal meine Erinnerungen an die Sekundarschulzeit von 1970 bis 1994 auf. Material wäre genügend vorhanden.

Ueli Mattenberger (2021)

Nachruf auf Josef Wiesli

ZUM GEDENKEN

Der Lebenskreis von Josef Wiesli hat sich am 7. März geschlossen


«Mer lebed jo nüme so lang, em 19. Mai isch de Weltundergang . . .». Dieser Refrain verhallt in unsern Ohren. Wir denken an die unzähligen gemütlichen Stunden, wenn Josef Wiesli mit seiner kräftigen Bassstimme zu diesem Refrain ansetzte und immer wieder ein neues Lumpen- oder Studentenlied anfügte, angefangen beim «Hüaho, alter Schimmel, hüaho» über «Là-haut sur la montagne» bis zum rührseligen «Munotsglöcklein». Ich bin sicher, er hätte Freude, wenn wir diesen Gassenhauer jetzt singen würden, und er es dann hören könnte. Sein langes und erfülltes Leben hat diesen Refrain Lügen gestraft. Der Lebenskreis hat sich nach fast 93 Jahren am 7. März 2021 geschlossen.


Josef Wiesli – jedermann kannte ihn nur mit dem Vornamen Sepp – war ein geselliger Mensch, der in jeder Gesellschaft ein gern gesehener Gast war. Bis ins hohe Alter konnte er seine Mitmenschen hervorragend unterhalten. Den Schalk in seinen Augen werden wir vermissen. Coronabedingt begegnete ich ihm zum letzten Mal vor einem Jahr. Obwohl ihn die körperlichen Altersbeschwerden immer mehr zu einem gebrechlichen Mann machten, war sein Geist noch frisch und präsent. Er brachte uns mit seinen Geschichten, die er wohl nicht immer ganz wahrheitsgetreu, aber charmant ausschmücken konnte, zum Schmunzeln und Lachen.


Am 27. Mai 1928 erblickte Sepp Wiesli als Ältester von insgesamt neun Geschwistern das Licht der Welt. In Weinfelden wuchs er auf und besuchte dort die Schule. Nach der Primarschule wechselte er ins Gymnasium nach Immensee. Die Matura Typus A mit Griechisch und Latein legte er in Fribourg ab. Ursprünglich wollte er Priester werden, so wie sein um drei Jahre jüngerer Bruder. Er entschied sich dann aber, ins Sekundarlehramt einzusteigen. In der Studentenverbindung «Kyburgia» fühlte er sich wohl. Dort fand er Kameraden für das ganze Leben. Dass ihn seine Farbenbrüder mit dem Vulgo «Rowdy» tauften, kam wohl nicht von ungefähr. Zu vorgerückter Stunde konnte er uns von seinen studentischen Eskapaden und Streichen berichten. Bis ins hohe Alter nahm er sehr gerne an den Anlässen der «Kyburgia» teil, wo er gemütliche Stunden mit den Altherren verbrachte. Mit sichtlichem Stolz erzählte er uns jeweils, mit welchem amtierenden oder ehemaligen Bundesrat er jeweils angestossen habe. Das fröhliche studentische Treiben begleitete ihn sein ganzes Leben.


Nach Abschluss des Studiums war er für kurze Zeit Sekundarlehrer in Waldkirch. Im Jahr 1956 folgte er einer Berufung an die kleine Hinterthurgauer Sekundarschule Affeltrangen. Hier fand er seine Heimat. Er lernte seine Lebensgefährtin Heidi kennen, die ihm nach der Heirat vier Kinder schenkte. Später folgten acht Enkelkinder und ein Urenkel. Die Familie bedeutete ihm sehr viel. Er war seinen Kindern ein vorbildlicher Papi und seinen Enkelkindern ein liebevoller Opa. Im zum Teil selbst gebauten Eigenheim an der Bucherstrasse schufen er und Heidi Platz für ihre grosse Familie. Bis ins Jahr 2015 blieben sie hier wohnen. Dann folgte der Umzug nach Weinfelden in eine altersgerechte Wohnung.


Neben seiner Lehrtätigkeit engagierte sich der Verstorbene sehr stark in der Öffentlichkeit. Viele Jahre war er Zivilstandsbeamter der Gemeinde Affeltrangen. Der Schreibende durfte seine Dienste im Mai 1973 in Anspruch nehmen. Die Erinnerungen an einen schönen und würdigen Trauungsakt im Nachbarhaus werden nie verblassen. Das Zivilstandswesen war seine grosse Leidenschaft, die er 1983 zum Beruf machte. Der Regierungsrat wählte ihn zum kantonalen Zivilstandsinspektor. Bis zu seiner Pensionierung versah er dieses Amt mit grossem Sachverstand. Sein umfassendes Wissen stellte er auch eidgnössischen Gremien zur Verfügung.


Sepp Wieslis öffentliches Engagement wurde auch in der katholischen Kirchgemeinde Tobel geschätzt. Von 1968 bis 1980 präsidierte er den Pfarreirat. Die Kirchturmrenovation und die feierliche Glockenweihe tragen seine Handschrift. Als Präsident der Baukommission leitete er die umfassende Renovation der Pfarrkirche. Als erster weltlicher Präsident der Kirchgemeinde führte er ab 1987 die Kirchenbehörde. Von 1987 bis 2001 engagierte er sich intensiv für das Alterszentrum «Sunnewies», zuerst als Verwalter, später als Präsident der Heimkommission. Er leitete die Umstrukturierung des Heims und auch den Um- und Neubau, der 2001 eingeweiht wurde. Auch auf dieses Lebenswerk durfte er mit Stolz zurückblicken.


In den letzten Jahren wurde es stiller um Sepp Wiesli. Körperliche Altersbeschwerden machten sich bemerkbar. Vor allem der Verlust des Augenlichts wegen einer fortschreitenden Makula-Degeneration machte ihm zu schaffen. Man hörte ihn aber nie klagen. Sein frohes Gemüt und sein wacher Geist verliessen ihn nicht. Die letzten Wochen vor seinem Tod durfte er in seinem «Sunnewies» verbringen, wo er – liebevoll von seiner Heidi und seiner Familie begleitet – am 7. März die Augen für immer schloss. Coronabedingt nahm eine kleine Trauergemeinde am 26. März von Josef Wiesli Abschied. Sein 90-jähriger Bruder zelebrierte die Abdankungsfeier würdig und eindrucksvoll und sein Sohn Ralph blickte auf sein Leben zurück. Mit herzlichen Worten verabschiedeten sich seine Enkelkinder von ihrem Opa. Wir werden Sepp Wiesli ein ehrendes Andenken bewahren.


Ueli Mattenberger


Es geschah im Jahr 2000 · Drama an der kleinen Realschule Tobel

Realschule Tobel in den nationalen Medien

Ein dramatischer Vorfall katapultierte die damalige kleine Realschule Tobel, die zur damaligen Oberstufengemeinde Affeltrangen gehörte, auf die Frontseiten der nationalen Medien. Gemäss den diversen Medienberichten bestand der Verdacht auf Grenzüberschreitungen eines Lehrers gegenüber seinen Schülern. Als die Affäre publik wurde, beging dieser Lehrer einige Tage später Suizid. Die ganze Geschichte belastete die Realschule Tobel sehr. Das kantonale Departement für Erziehung und Kultur leitete eine Administrativuntersuchung ein, die den Fall klären sollte. Zwei externe Experten legten einige Monate später einen Bericht vor und schlugen ein Massnahmenpaket vor, wie in Zukunft solche Fälle vermieden werden können. Glücklicherweise blieb die Realschule Tobel in den letzten 20 Jahren von solchen Dramen verschont.


Mein Abschied von der Sekundarschule Affeltrangen

24 Jahre – eigentlich eine lange Zeit. Im Herbst 1970 kam ich von meinem Fremdsprachaufenthalt in Paris zurück, legte meine letzten Prüfungen für das Sekundarlehramt ab und trat meine erste Stelle in Affeltrangen an. Dass es auch meine letzte Stelle sein würde, ahnte ich damals noch nicht. Von Paris direkt nach Affeltrangen, von einer Weltstadt in ein beschauliches Dorf mit einigen hundert Einwohnern im Hinterthurgau. Das war sozusagen ein Kulturschock. Von den Vorlesungen an der Sorbonne und dem Sprachunterricht an der Alliance Française in die heimelige Schulstube der Sekundarschule Affeltrangen. Jetzt war ich nicht mehr Student, sondern Schulmeister im wahrsten Sinn des Worts. Damals war man noch Meister in der Schulstube: kein Schulleiter - keine aufsässige Behörde - Eltern, die hinter dem Lehrer standen - für den strengen Inspektor hielt man immer eine Musterlektion in der Schublade bereit, so dass er nach einem Überraschungsbesuch zufrieden wieder von dannen zog.


24 Jahre zogen in Windeseile vorüber. Ich heiratete, baute ein Haus an der Bucherstrasse, wo ich immer noch wohne, gründete eine Familie mit drei Kindern. Später folgten sechs Enkelkinder. Ich engagierte mich in der Öffentlichkeit: als Gemeindeschreiber der Ortsgemeinde Affeltrangen, als Kirchenpfleger der Kirchgemeinde Affeltrangen, später dann – nach meinem Rücktritt vom Schuldienst - Schulpfleger der Oberstufengemeinde Affeltrangen und Schulpräsident der Primarschulgemeinde Affeltrangen.


Ein Rückblick in  die 1990er-Jahre. Unterdessen war ich 43 Jahre alt geworden. Als ich wieder einmal eine erste Klasse übernahm, stellte sich ein keckes Mädchen vor mich hin und sagte mir ganz stolz: «Sie, mis Mami isch scho zu Ihne i d’Schuel.» Ich schmunzelte. Gleichzeitig gab mir diese Information zu denken. 20 Jahre Lehrerdasein sind hinter mir, 22 Jahre sind es nochmals bis zur Pensionierung. Ich habe eigentlich das vergangene Leben nur in der Schulstube verbracht: zuerst als Kindergärtler – dann als Schüler – dann als Student – und jetzt als Lehrer. Ich wollte noch etwas Neues jenseits der Schulstube erfahren. 


Eine andere Beobachtung gab mir noch mehr zu denken. Ich erfuhr von den Problemen älterer Berufskollegen, die sich in ihrer Lehrtätigkeit aufstauten und oft zu einer vorzeitigen Kündigung führten. Obwohl der Schulmeister mit zunehmendem Alter erfahrener wird, bleiben seine Schüler immer gleich alt. Der Altersunterschied zwischen ihm und seinen Schützlingen wird stetig grösser. Es wurde mir bewusst, dass die meisten alternden Lehrer genau über dieses Problem stolpern. Viele zerbrechen daran. Ich musste mir eingestehen, dass auch ich Opfer dieser Entwicklung werde. Damals, mit 43 Jahren spürte ich überhaupt noch nichts davon.


Langsam reifte in mir der Entscheid, meinem Leben eine Wende zu geben. Für einen Lehrer ist das leichter gesagt als getan. Er hat wohl einen breiten Bildungshintergrund, besitzt aber in keinem Gebiet Spezialistenwissen, das ihn befähigen würde, mit seinem Bildungsrucksack den Lebensunterhalt zu verdienen. Ich sprang ins kalte Wasser und machte meine Freizeitbeschäftigung «Fotografie und Filmen» zum Beruf. Im Sommer 1994 wagte ich den Schritt in die Selbständigkeit und gründete ein Videostudio, das ich im Laufe der Jahre zu einer kleinen Agentur für Medien- und Kommunikationsdesign ausbaute.


Ich schaute damals, im Jahr 1994, mit grosser Zufriedenheit auf meine 24-jährige Lehrtätigkeit an der Sekundarschule Affeltrangen zurück. Wunderschöne Erinnerungen begleiten mich noch heute. Auch traurige Ereignisse prägten diese Zeit: Todesfälle von Schülern und Kollegen. Diese Erinnerungen waren es, die mir den Anstoss gaben, die Geschichte der Sekundarschule Affeltrangen von 1859 bis 1994 aufzuarbeiten. Im Jahr 2019 begann ich mit der Plattform «Sekundarschule Affeltrangen anno dazumal . . .»: www.sekundarschule-affeltrangen.ch  Sie wächst seitdem kontinuierlich. Vor allem freut mich, dass ich sehr viele positive Rückmeldungen von ehemaligen Sekundarschülern erhalte. Der Entscheid aus dem Jahr 1994 ermöglicht mir, heute noch berufstätig zu sein und zwischendurch nostalgischen Erinnerungen an die Jahre zwischen 1970 und 1994 freien Lauf zu lassen.


Ende März 2021 / Ueli Mattenberger

Englisch-Kurs der Sekundarlehrer in Sawbridgeworth

Währen meines Sabbaticals im Sommer 1987 lernte ich Alice Everard kennen. Sie war meine Englisch-Lehrerin in Cambridge. Ich behielt den Kontakt auch nach meiner Rückkehr in die Schweiz bei. So konnte ich zwei Jahre später einen Englisch-Kurs für die Sekundarlehrer während den Herbstferien 1989 organisieren. Wir reisten gemeinsam mit Privatautos nach England, wo wir im grossen Haus von Alice und George Everard in Sawbridgeworth (Essex) logierten und dort jeden Tag Englischunterricht genossen. Eine dreitägige Exkursion führte uns auch auf die kleine Insel Northey Island, die Sir Norman Angell - Nobelpreisträger in den 1930er-Jahren - kaufte. Alice Everard ist seine Nichte. Die Familie Angell vermachte die Insel dem National Trust, behielt aber das Wohnrecht im einzigen Haus auf der Insel bis ins Jahr 2020. Unsere Familie verbrachte auf Northey Island nochmals eine ganze Woche im Jahr 2011.

Auf dem Bild sehen wir von links: Hans Matthey, Kurt Hack, Hans Kaufmann, Johanna Hack, Alice Everard (unsere Englisch-Lehrerin), Ueli Mattenberger und Uwe Heller auf dem Sitzplatz in Sawbridgeworth.

125 Jahre Sekundarschule Affeltrangen · Das grosse Jubiläumsfest 1984

1984 wird die Sekundarschule Affeltrangen 125 Jahre alt. Lehrerschaft und Behörde organisieren ein zweitägiges Jubiläumsfest, zu dem alle noch lebenden ehemaligen Sekundarschülerinnen und -schüler eingeladen werden. Hunderte folgen dieser Einladung. Josef Wiesli, Hans Matthey und Ueli Mattenberger schreiben eine umfangreiche Festschrift über die Geschichte der Sekundarschule Affeltrangen. Leider ist das Buch vergriffen. Es liegt nur noch in wenigen Exemplaren vor. Es war wohl das letzte Jubiläumsfest in der langen Geschichte der Schule. 2009 wäre das 150-jährige Jubiläum zu feiern gewesen. Behörde und Lehrerschaft zeigten kein Interesse an der Organisation eines solchen Festes, obwohl das Jubiläumsjahr allen bekannt war. Schade! So bleibt der Internetauftritt «Sekundarschule Affeltrangen anno dazumal . . .» das einzige Zeugnis der jetzt (2020) 161 Jahre alten Sekundarschule Affeltrangen.

Auf dem Bild sind drei ehemalige Sekundarlehrer zu sehen. Von links: Hans Mathhey, Willi Troxler und mit dem Rücken zur Kamera Hans Kaufmann. Hans Matthey wurde im Jahre 1995 zum Gemeindeammann der Politischen Gemeinde Affeltrangen gewählt. 2018 verstarb er nach langer, schwere Krankheit. 

Ein trauriger Jahresbeginn an der Sekundarschule Affeltrangen

Diesen ersten Tag im neuen Jahr werde ich wohl nie mehr vergessen. Seit Herbst haben wir einen neuen jungen Lehrer an der Schule. Er hat von Anfang an Probleme mit der Klasse, die er übernehmen muss. Erst nach einigen Wochen erfahren wir Kollegen, dass er – an seinen Namen mag ich nicht mehr erinnern – psychisch angeschlagen ist und unter Depressionen leidet. Schüler zeigen in der Regel kein Verständnis dafür und nutzen die Situation aus. Es ist sehr schwierig, als Berufskollegen in einer solchen Situation zu intervenieren, vor allem dann, wenn der Betroffene nicht bereit ist, darüber zu sprechen. Man kann nur hoffen, dass ein solcher Lehrer die Situation in den Griff bekommt. Die Weihnachtsferien stehen vor der Tür. Wir verabschieden uns und geniessen die Festtage. Der erste Schultag im neuen Jahr zieht ins Land. Im Klassenzimmer nebenan ist es immer noch laut. Ich gehe nachschauen und stelle fest, dass unser Kollege noch nicht erschienen ist. Nach einer weiteren Viertelstunde telefoniere ich an seinen Wohnort. Seine Freundin nimmt das Telefon ab. Ich frage sie nach dem Verbleib unseres Kollegen. Sie gibt nur kurz zur Antwort, dass sie in diesem Fall wisse, was passiert sei und hängt wieder auf. Eine schlimme Ahnung beschleicht auch mich. Ich beschäftige die unbeaufsichtigte Klasse und gehe wieder in mein Schulzimmer zurück. Ein Telefonanruf der Polizei einige Zeit später bringt die traurige Gewissheit. Der junge Kollege hat sich auf dem Weg in die Schule unter den Zug geworfen. Gegen Abend kommen sein Vater und sein Bruder im Schulhaus vorbei, um seine Sachen abzuholen. Es ist eine sehr traurige Begegnung. Mit einer Schülerdelegation und allen Lehrern nehmen wir an der Beerdigung in St.Gallen teil.

Ueli Mattenberger (Sekundarlehrer 1970 - 1994)

Andreas Stricker: Lustiges Erlebnis auf dem Schulweg

Ich wohnte damals in Tobel, meine Schulkollegen Geni Lüthi in Tägerschen und Max Strini in Bettwiesen. Geni und ich kamen mit dem Velo in die Schule, Max mit dem Töffli. An einem Nachmittag nach der Schule fragten wir Max, ob er uns mit dem Töffli auf dem Nachhauseweg mitzieht. «Sicher nicht, ihr könnt selber fahren», war seine Antwort. Kurz darauf kam Susi Kaiser: «Max, ziehsch mi ufe?» – «Ja, klar», antwortete Max, unter unserem Protest. Wir überholten dann die beiden wieder, nachdem sie auf der Hinteren Bahnhofstrasse noch vor dem Bahnhof von der Polizei aufgehalten worden waren.


Kommentar des ehemaligen Lehrers: Wer zuletzt lacht, lacht am besten!


Ueli Mattenberger · Herbst 1970: Meine erste Stelle als Sekundarlehrer an der Sekundarschule Affeltrangen

Man schreibt das Jahr 1970. Es ist Herbst. Ich habe meinen sechsmonatigen Fremdsprachaufenthalt in Paris hinter mir und die letzten Prüfungen für das Sekundarlehrerpatent erfolgreich absolviert. Meine erste Stelle: Sekundarschule Affeltrangen. Montagmorgen nach den Herbstferien. Es ist sieben Uhr. Das Lehrerzimmer füllt sich mit Rauchschwaden. Alle Lehrer mit einer Ausnahme sind Raucher: Josef Wiesli, Christof Bachmann, Peter Uecker, Christian Eggenberger und jetzt der Neue: Ueli Mattenberger. Das Lehrerzimmer war eine Räucherkammer – heute unvorstellbar! Schulpfleger Jules Ricklin führt mich ins Klassenzimmer der zweiten Klasse, stellt mich der Klasse vor und ermahnt die Schülerinnen und Schüler brav zu sein! Etwa 25 Augenpaare mustern den jungen, unerfahrenen Sekundarlehrer sehr genau. Was geht ihnen wohl durch den Kopf? Sie haben die Moralpredigt des Schulpflegers ernst genommen. Der junge Sekundarlehrer fühlt sich sofort wohl in dieser Land-Sekundarschule und ist froh, das Angebot der grossen Sekundarschule Arbon für eine Stelle abgewiesen zu haben. Was er sich damals vor fast 50 Jahren nicht vorstellen konnte: dass er bis 1994 an dieser Schule unterrichtet, eine Familie gründet und heute – nach fast 50 Jahren – immer noch in Affeltrangen wohnt. 


Wenn ich die Klassenfoto dieser Klasse aus dem Jahr 1971 anschaue, kann ich mich noch an alle Namen erinnern. Einer ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Er kritzelte während des Unterrichts alle seine Bücher und Hefte mit Flugzeugen voll. Jegliche pädagogische Intervention blieb erfolglos. Er hat eine Pilotenkarriere absolviert: Militärpilot – SWISSAIR-Flugkapitän – Flugkapitän der legendären JU 52. Ich bin ihm nie mehr begegnet. Im Sommer 2018 las ich in der Zeitung die traurige Nachricht, dass er mit diesem Oldtimer abgestürzt ist.


Ueli Mattenberger Sekundarlehrer von 1970 bis 1994, Affeltrangen, aufgezeichnet 2019


«Stumpenmigg» wird Schulhausabwart

Weisst du noch?

Es geschah vor 51 Jahren . . .

«Stumpenmigg» wird Schulhausabwart im neuen Sekundarschulhaus

Man schreibt das Jahr 1969. Das neue Sekundarschulhaus wird eingeweiht. Ein neuer Schulhaus-Abwart wird eingestellt. Die Sekundarschulbehörde mit seinem Präsidenten August Bolli, Zezikon, wählt das Ehepaar Klärli und Emil Burkhart. Die beiden ziehen mit ihrer Familie im neuen Abwarthaus an der Märwilerstrasse ein.


Zum 30-jährigen Jubiläum des Hauswarte-Ehepaares im Jahre 1999 habe ich in meiner Funktion als Schulpfleger der Oberstufengemeinde Affeltrangen eine Laudatio für die Zeitungen geschrieben:


Eine Hauswart-Legende feiert Jubiläum

Ueli Mattenberger

Schulpfleger der Oberstufengemeinde Affeltrangen



Vor genau 30 Jahren traten Emil und Klara Burkhart ihr Amt als Hauswart-Ehepaar der Schulanlagen in Affeltrangen an. Unzählige Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen, Lehrer und Behördemitglieder haben das Ehepaar Burkhart kennen gelernt, manche haben sich schon längst wieder von der Schule Affeltrangen getrennt. Geblieben ist das Hauswart-Ehepaar, ohne das man sich die Schulanlagen Affeltrangen kaum mehr vorstellen kann.


Umzug nach Affeltrangen

Bis 1969 wohnte die Familie Burkhart in Mettlen und versah schon dort das Amt eines Hauswart-Ehepaares in Teilzeit. Als in Affeltrangen eine Vollzeitstelle ausgeschrieben wurde, war es für Emil Burkhart klar, sich um diese Stelle zu bewerben, umso mehr, als er in der Region der heutigen Oberstufengemeinde Affeltrangen aufgewachsen war. Ein junger, spritziger Berufsmann überzeugte die damalige Behörde beim Vorstellungsgespräch, so dass er unter vielen Anwärtern zusammen mit seiner Gattin Klara zum Hauswart gewählt wurde. Der damalige Schulpfleger Jules Ricklin hat ihn schon beim Vorstellungsgespräch gewarnt: «Sie müssen sich bewusst sein, dass Sie der Öffentlichkeit ausgesetzt sind.» Nach 30 Jahren kann «Bugi» - wie ihn die vielen Schüler mit Respekt, aber liebevoll nennen - ein Lied davon singen. Es ist wohl eines der Markenzeichen dieses treuen Hauswarts, dass er alle Klippen dieser anspruchsvollen Öffentlichkeitsarbeit mit Bravour umsegelt hat. Die Burkharts sind das amtsälteste Hauswart-Ehepaar im Kanton Thurgau - und dies notabene ohne irgendwelche Verschleisserscheinungen. Wenn man Emil Burkhart heute nach negativen Erfahrungen seiner 30-jährigen Berufstätigkeit in Affeltrangen fragt, so kratzt er sich verlegen in seinen im Laufe der Zeit weiss gewordenenen Haaren und meint dann nach einigem Nachdenken: «Ich habe eigentlich nur schöne Erinnerungen.»


Ein Hauswart wie im Bilderbuch

«Emil, kannst Du mir nicht ein Gestell für meinen CD-Player machen?». - «Herr Burkhart, mein Fahrrad hat einen Platten; können Sie mir nicht helfen?» - «Du Emil, am Samstag Nachmittag würden wir gerne auf dem Spielfeld trainieren.» - «Herr Burkhart, würden Sie bitte den Singsaal für eine Versammlung einrichten.» Solche Bitten, Wünsche und Anliegen hat Emil Burkhart noch nie ausgeschlagen. Jederzeit ist er zusammen mit seiner Gattin für Schüler, Lehrer, Behördemitglieder und Vereine da. Auch ohne Handy braucht man ihn nicht lange zu suchen in der Schulanlage. Der Stumpen verrät unverkennbar «Bugis» Spur. Sonderwünsche werden ohne grosses Aufheben erfüllt. Dass sich daneben die ganze Schulanlage, die im Laufe der Zeit gewaltig gewachsen ist, immer in einem perfekten Zustand befindet, ist eine Selbstverständlichkeit. Treue Pflichterfüllung ist für ihn kein Fremdwort, sondern Bestandteil seines Berufsbildes. Nichts kann ihn mehr ärgern, als wenn er von Kollegen in andern Schulhäusern hören muss, dass dieses Pflichtbewusstsein nicht gelebt wird. Für Emil Burkhart ist der Hauswartberuf eine selbständige Tätigkeit, die sehr viel Engagement auch ausserhalb der eigentlichen Arbeitszeit verlangt. Sein ausgeprägtes handwerkliches Geschick bewahrte die beiden Schulgemeinden vor vielen hohen Reparaturrechnungen. In seiner mustergültig eingerichteten Werkstätte repariert er vieles, was sonst zu einem Handwerker gebracht werden müsste.


Eine Dorfpersönlichkeit

Emil Burkhart gelang es von allem Anfang an, sich im Dorf zu integrieren. Dies trug sicher auch dazu bei, dass es gar nie zu wesentlichen Konflikten zwischen Hauswart und Benützern der Schulanlagen gekommen ist. So war er als aktiver Turner während 12 Jahren Leiter der Jugendriege Affeltrangen. Besonders in Erinnerung bleibt der Kantonale Jugitag in Affeltrangen, den er federführend organisiert hat. Die Feuerwehr Affeltrangen kommandierte er während vielen Jahren, und seit 1974 versieht er das Quartieramt. Wenn Affeltrangen heute über die Region hinaus bekannt ist, so ist das wohl nicht mehr dem Blauen Aff zu verdanken, sondern dem Eselverein, den Emil Burkhart gegründet und einige Jahre als Präsident geführt hat. Mit Schmunzeln erzählt er die Gründungsgeschichte und erwähnt mit Stolz, dass heute der Eselverein mehrere tausend Mitglieder zählt. Dass er im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit in der Öffentlichkeit manches Lausbubenstück und nächtlichen Schabernack erzählen kann, gehört zu seiner fröhlichen und unkomplizierten Art, die ihn für das Amt des Hauswartes geradezu prädestiniert.


Tätigkeit im Berufsverband

Emil Burkharts Qualitäten erkannte bald einmal auch der Berufsverband der Hauswarte. Seit 1968 war er Vorstandsmitglied des Fachverbandes thurgauischer Hauswarte, den er von 1975 - 1995 präsidierte. Aufgrund seiner grossen Verdienste ernannte ihn der Verband nach seinem Rücktritt zum Ehrenpräsidenten. Im Schweizerischen Fachverband der Hauswarte war er längere Zeit  in der Berufskommission tätig. Aufgrund seiner Verdienste wurde er zum Ehrenmitglied ernannt. Während seiner Präsidialzeit hat er in zähen Verhandlungen einheitliche Anstellungsbedingungen für die thurgauischen Hauswarte erreicht. Der damalige Sekretär des Verbandes, Ernst Schweizer, soll einmal gesagt haben: «Der Emil ist der Schnorri, und ich bin der Schreiber.» Die Schulgemeinden wurden auf den Fachmann aufmerksam, und es gibt wohl keine Schulgemeinde im Kanton Thurgau, die seine Dienste nicht in Anspruch genommen hat, wenn es um die Anstellung eines Hauswartes oder um die Berechnung der Wartungsfläche ging. Diesen Kontakt zu den Schulpräsidenten und Schulpflegern hat Emil Burkhart sehr geschätzt, und noch heute pflegt er Kontakt mit verschiedenen Behördemitgliedern aus dem ganzen Kanton.


Es geht weiter

Klara und Emil Burkhat strahlen, wenn sie von ihrer 30-jährigen Tätigkeit in Affeltrangen erzählen. Nicht der leiseste Anflug von Berufsmüdigkeit oder Resignation ist aus ihren Gesichtern zu lesen. Mit Leib und Seele werden sie noch einige Jahre Hauswart in Affeltrangen sein. Glücklich sind sie, dass ihr Sohn Roland seit einem Jahr ebenfalls in der Schulanlage Affeltrangen als Hauswart tätig ist. Ihre grosse Erfahrung und Berufskenntnis können sie -on the job, wie man so schön sagt - weitergeben.


Der Dank und die Anerkennung aller Benützer der Schulanlage Affeltrangen ist dem jubilierenden Hauswart-Ehepaar sicher. Die Behörden der Oberstufengemeinde und Primarschulgemeinde Affeltrangen schliessen sich diesem Dank an und wünschen Klara und Emil Burkhart weiterhin so viel Elan, Kraft und Gesundheit, um diese anspruchsvolle Tätigkeit noch viele Jahre auszuüben.


Emmy Füllemann · Brief aus Lambarene 1959

Emmy Füllemann, heute Wirtin in der Biene Maltbach, besucht von 1938 bis 1940 die Sekundarschule Affeltrangen. Sie arbeitet von 1956 bis 1960 im Urwaldspital von Dr. Albert Schweitzer in Lambarene. Sie berichtet in der Festschrift zum 100-Jahr-Jubiläum der Sekundarschule Affeltrangen von ihrer Arbeit im Urwaldspital. Das Bild zeigt sie anlässlich des 125-Jahr-Jubiläums im Jahr 1984. Heute ist sie über 90 Jahre alt und wirtet immer noch in der Biene.


Gerne wäre ich am grossen Fest der Sekundarschule Affeltrangen persönlich dabei gewesen, um alle die wieder zu sehen, welche in den Jahren 1938/39 und 1939/40 meine Mitschüler waren. Hätte gern mit euch alte, liebe Erinnerungen aufgefrischt und ein paar frohe Stunden erlebt. Leider ist mir dies nun nicht möglich und so hoffe ich, euch mit einem Afrika-Brief eine Freude zu bereiten.


Ihr alle erinnert euch sicher noch an die Geographiestunde über Afrika, in welcher uns Herr Lehrer Oberhänsli mit Begeisterung von Albert Schweitzer und seinem Werk erzählte! Damals mag es gewesen sein, als zum ersten Mal in mir der Wunsch erwachte einmal in dieses Urwaldspital zu gehen. Jahrelang blieb dies ein Wunschtraum, bis dann plötzlich im Herbst 1956 ein Aufruf in einer evangelischen Zeitschrift, in welchem dringend Helferinnen für Lambarene gesucht wurden, mich zum Handeln veranlasste. Ich meldete mich, und dann ging alles sehr schnell. Die üblichen Vorbereitungen wie Schutzimpfungen, Einkauf der Tropenkleider und Visagesuch für die Kolonien wurden erledigt. So flog ich in den ersten Apriltagen 1957 von Paris aus nach Lambarene.


Zwei Jahre sind verflossen, seit ich diesem Ruf in den Urwald gefolgt bin und mich Doktor Albert Schweitzer in seinem Reich willkommen geheissen hat. Ihr alle kennt ja sicher die Geschichte der Entstehung des Urwaldspitals, wie sie Albert Schweitzer in seinem Buch «Zwischen Wasser und Urwald» so anschaulich geschildert hat. Ist man dort schon begeistert von diesem grossen Menschen, wie viel mehr ist man es, wenn man das grosse Werk, das er geschaffen hat, selber kennen lernen darf!


Das Spital ist im Laufe der vielen Jahre zu einem grossen Dorf herangewachsen, in dem 350 bis 400 Kranke untergebracht werden können. Dazu kommt noch das etwa 10 Minuten entfernt gelegene Lepradorf, wo zirka 180 Patienten ihre Wohnstätte haben. Das ganze Spital ist nach den Plänen und unter der persönlichen Leitung Albert Schweitzers gebaut worden, wobei er die Lebensgewohnheiten der Eingeborenen ganz besonders berücksichtigt hat. So kann denn jeder Kranke ein Familienangehöriges mitbringen, welches während seiner Krankheit für ihn sorgt und ihm auch das Essen kocht. Ein gut eingerichteter Operationssaal und tüchtige Ärzte sorgen dafür, dass alles nur Mögliche für die Kranken getan wird. So ist das Spital vom «Grand Docteur» auf Hunderte von Kilometern herum bekannt, und oft sind Kranke tage- oder wochenlang zu Fuss oder mit dem Boot unterwegs, um hier Heilung oder Linderung zu suchen und auch zu finden.


Dr. Schweitzer ist auch heute mit seinen 84 Jahren noch unentwegt an der Arbeit, sei es unten im Spital, auf dem Bauplatz, oder draussen in der grossen Baumpflanzung. So kommt es, dass das Petrollicht bis tief in die Nacht in seinem Zimmer brennt, wo er seine vielen Schreibarbeiten erledigt, für die er tagsüber nie Zeit findet. Wir alle, die wir das Glück haben seine Mitarbeiter zu sein, können immer wieder nur aufs Neue staunen über diesen aussergewöhnlichen Menschen, dem das Wohlergehen von Menschen und Tieren über alles geht. Seine «Ehrfurcht vor dem Leben» ist nicht nur Theorie sondern wunderbare Wirklichkeit.


Mit dem Wachsen des Spitals wurden natürlich auch immer mehr Mitarbeiter notwendig. So sind wir gegenwärtig meistens um die dreissig Personen versam¬melt am grossen Tisch im Speisesaal, wobei allerdings immer einige Besucher sind. Die grosse, weisse Familie ist sehr international und setzt sich zur Zeit aus Angehörigen 10 verschiedener Länder zusammen. Nebst den Weissen arbeiten natürlich eine grosse Zahl schwarzer Helferinnen und Helfer als Angestellte im Spital und im Haushalt mit, die auch hier wohnen. Es ist beglückend zu sehen, welche Achtung und Liebe die Schwarzen ihrem «Grand Docteur», wie er allgemein genannt wird, entgegen bringen.


Meine Arbeit im Urwaldspital besteht in der Führung der Küche für den weissen Haushalt und in der Besorgung des grossen Spitalgartens. Als Hilfen stehen mir 6 bis 8 schwarze «Buben» zur Verfügung. Am Anfang mag das viel scheinen. Aber wenn man bedenkt, dass es keine modernen Haushaltmaschinen wie in Europa gibt, dass alles Wasser und Holz für die Küche herbeigetragen werden muss, die Kühlschränke jede Woche zweimal mit Petrol gespeist werden, so ist es nicht mehr verwunderlich. Zudem arbeiten die Schwarzen nicht gerne schnell und sind bei der Arbeit durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Mit meinen Helfern verbindet mich ein nettes Verhältnis. Bis auf den Koch können alle weder lesen noch schreiben. Oft erzähle ich ihnen vom Leben in Europa; da kommt es dann manchmal zu den unmöglichsten Fragen. So fragte mich letzthin einer, ob der Käse auf den Bäumen wachse! Eine Zeitlang habe ich versucht, die Buben Schweizerdeutsch zu lehren, aber ich habe es bald wieder aufgegeben.


Ich habe noch nie bereut, nach Lambarene gekommen zu sein, sondern bin glücklich, den Urwalddoktor und sein Werk persönlich kennen gelernt zu haben. Ich liebe meine Arbeit, das Spital mit seinen Freuden und Sorgen, und die Menschen, mit denen mich das Schicksal hier zusammen geführt hat. Und ich weiss wohl, dass, wenn ich Ende des Jahres in die Schweiz zurückkehre, mir diese Welt zwischen Wasser und Urwald, die Welt Albert Schweitzers, sehr fehlen wird.


Lambarene liegt 37 km südlich des Aequators in einer sehr ungesunden Gegend Afrikas. Dabei ist es weniger die Hitze als vielmehr die grosse Luftfeuchtigkeit, welche einem zu schaffen macht. Darum sind auch längere Europa-Aufenthalte nach gewissen Zeiten unbedingt notwendig.


Landschaftlich ist es hier wunderschön, und die grosse, stille Schönheit am Ogowe nimmt besonders am Anfang jedes gefangen. Später sehnt man sich hie und da aus dem Lande des ewigen Sommers zurück nach einem Wintertag in Europa.


So sende ich euch über die unergründlichen und geheimnisvollen Wälder Afrikas hinweg viele Grüsse und wünsche euch ein frohes Beisammensein.


Eure Klassenkameradin Emmy Füllemann aus Maltbach (im Moment in Lambarene)

Der erste Rausch meines Lebens

Erinnerungen aus meiner Sekundarschulzeif in Affeltrangen, Frühling 1911—1914

Der erste Rausch meines Lebens, buchstäblich

und symbolisch


1. buchstäblich: 

Es war anlässlich der Einweihung der Mittelfhurgaubahn. Tobel und Märwil prangten im Flaggenschmuck. Die Schulen hatten einen Tag frei. Mein Klassengenosse Hans Jenny von Märwil hatte den weiteren Klassengenossen Otto Gubler von Tobel und mich zu sich nach Märwil eingeladen. Dort servierte uns Vater Jenny eine grosse Platte voll Süssigkeiten und einen guten Wein dazu. Ich hatte in meinem Leben noch nie soviel Gutzli vor mir gesehen, und damit die Sache nicht zu trocken war, tranken wir immer wieder ahnungslos von dem guten Wein. Schliesslich wurde es Abend und wir mussten ans Heimgehen denken. Ich begleitete Otto Gubler bis nach Tobel und wir hielten uns gegenseitig. Aber, o wehl Einmal lag er im Strassengraben, dann wieder ich, oder auch wieder beide. Der Weg nach Tobel wollte nicht enden. Und meine Gedanken: «Was werden meine Eltern sagen?» Morgen ist doch wieder Schule und ausgerechnet Geschichtsstunde. Naturkunde wäre mir viel lieber gewesen. Der Mond lachte am Himmel und die ganze Welt ging ringsum. Schliesslich kamen wir doch in Tobel an, wo uns die gute Mutter Gubler mit einem schwarzen Kaffee die «erste Hilfe» leistete. Dann wurden meine Elfern in Lommis telefonisch von dem «Unfall» avisiert, und mein guter Vater nahm den Weg unter die Füsse nach Tobel, um mich auf einem «Leiterwägeli» ohne allzugrosse Strapazen heim zu holen. «S'isch mein i e chli tumm gange», meinte er und unterdrückte ein Lächeln. Zuhause angelangt, war auch meine liebe Mutter auffallend verständnisvoll und erklärte: «Otto, du bleibst morgen Vormittag noch im Bett». Gott sei Dank, dachte ich, die Geschichtsklausur ist gerettet! Ich schlief unbeschreiblich gut. Aber dies war buchstäblich der erste und letzte Rausch meines Lebens.


2. symbolisch. 

Die Sekundarschulzeit hinterliess für mein ganzes Leben unvergessliche Eindrücke. Auf dem Schulweg von Lommis nach Affeltrangen träumte ich oft von Wonne und Glück. Ich sah den Himmel voller Geigen. Wenn dann Herr Lehrer Aegler mit seiner Tabakpfeife gemütlich im Schulzimmer ankam, dann war die Stimmung gut. Kam er aber ohne Pfeife, so hatte ich das Gefühl, dass nun der Ernst des Lebens beginnen werde. Zeichnen, Naturkunde und Sprachen waren meine Lieblingsfächer. Geometrie war mir beinahe verhasst. Als ich einmal in dieser Lektion eine richtige Antwort gab, meinte Herr Aegler: «Nun hat doch eine blinde Sau eine Eichel gefunden». Ich zürnte ihm nicht, aber unbewusst hatte ich der Geometrie Rache geschworen. Denn heute, 50 Jahre später, kann ich nicht mehr an das kopernikanische Weltbild glauben, das auf Grund von geometrischen Parallaxen berechnet wird. Ich bin im Gegenteil von dem naturwissenschaftlichen, kosmozentrischen Weltbild überzeugt, das mich innerlich bereichert und beglückt hat.


Eine weitere, unvergessliche Erinnerung hinterliess mir auch das Theaterstück «Schneewittchen», welches unsere drei Klassen einüben und vorführen durften. Lilly Jenny mit ihren herrlichen rotblonden Haaren war das Schneewittchen. Ihr Bruder Hans der Prinz, Hans Iselin von Märwil der Jäger, ich war nur der Minister, aber unheimlich stolz auf meine Rolle. Sieben Schüler spielten die Zwerge, die ich heute noch auf das Podium trippeln sehe mit den Worten: «Wer ist auf meinem Stühlchen gesessen? Wer hat mit meiner Gabel gegessen? Wer hat von meinem Gläschen getrunken? und John Nessensohn ganz entsetzt: Und wer ist hier in mein Bettchen gesunken?»

Dieses kleine Theater war für uns Schüler ein glückliches Erlebnis und ich möchte solch lebendigen Lehrstoff gelegentlich sehr zur Nachahmung empfehlen.


Und ob Marie Stettler wohl noch lebt und sich erinnert, dass sie mir an einem Examenfest den ersten und letzten Kuss gab? Wenn ich jemals durch Affeltrangen fahre, kommt mir immer die Stelle aus jenem Lied in den Sinn: «Die alten Häuser noch, die alten Strassen noch, die alten Freunde aber sind nicht mehr». Als dann vier Monate nach meinem Austritt aus der Sekundarschule der erste Weltkrieg ausbrach, wurde ich ziemlich unsanft aus dem schönen Rausch meiner Jugendzeit geweckt und in die harte, nüchterne Wirklichkeit des Lebens gestellt.


Otto Aeschlimann, Bergstrasse 126, Zürich 7

aufgezeichnet 1959 in der Festschrift «100 Jahre Sekundarschule Affeltrangen 1859 - 1959»

Die Festrede des jungen Pfarrers Eduard Schuster

Begrüssungsrede an der Feier des 25-jährigen Bestandes der Sekundarschule Affeltrangen von Herrn Pfarrer Schuster, dem nachmaligen Seminardirektor von Kreuzlingen

(5.Mai 1884,vormittags 11 Uhr in der Kirche Affeltrangen).

Diese Rede ist uns 1935 zur Abschrift von Frau Direktor Schuster überlassen worden. 

(Sie wurde aber erst im Jahr 1938 abgeschrieben. Das Original in Pfarrer Schusters Handschrift ist nicht mehr vorhanden. Anmerkung Ueli Mattenberger 2021)


Hochverehrte Versammlung!

Es gereicht mir zu hohem Vergnügen Sie (als eine so stattliche Versammlung) namens der Sekundarschulvorsteherschaft an unserer heutigen Feier begrüssen zu dürfen. Sie vor allem, verehrteste Schüler unserer Sekundarschule von der ersten bis zur heutigen Stunde ihres Bestandes, heisse ich herzlich unter uns willkommen. Ihnen zunächst gilt ja der heutige Tag, weil wir in Ihnen, in dem was Sie geworden sind, tatsächlich die Früchte vor uns schauen, welche die Arbeit unserer Schulanstalt gezeitigt hat. Doch ebenso herzlich bewill¬kommne ich Sie, hochgeschätzte Herren Lehrer unserer Schule, denn Ihnen zum grössten Teile verdanken diese Schüler von einst und jetzt die Förderung und Anregung ihres Wissens und Schaffens, die sie aus ihrer Sekundarschulzeit davongetragen haben. Freundlichst begrüsse ich auch diejenigen, welche beaufsichtigend und verwaltend als Vorsteher unserer Schule vorgestanden und dadurch nach Kräften zum Gedeihen derselben beigetragen haben. Sie alle,die Sie jeweilen ein Interesse für unsere Schule gezeigt und dasselbe nun auch durch Ihre heutige Anwesenheit aufs neue bekunden, seien Sie uns an unserer Sekundarschulfeier herzlich willkommen!


Nicht zu einem glänzenden Feste haben wir Sie eingeladen, sondern zu einer ganz bescheidenen Feier des 25jährigen Bestandes unserer Sekundarschule. Diese Tatsache selber schon ist ja wohl einer Feier wert, wenn wir die verschiedenen Schwierigkeiten bedenken, welche in einer fast ausschliesslich landwirtschaftlich treibenden Gegend der Existenz einer höheren Bildungsanstalt als der gewöhnlichen Primarschule entgegenstehen. Ist es darum auch nur eine ganz kurze und einfache, mit wenig Worten darzustellende Geschichte, welche unsere Schule mit diesen 25 Jahren nun hinter sich hat. Hat ihr Dasein und Wirken auch nie weit herum von sich reden gemacht, und wurde sie stets zu den kleinern und unbedeutenderen unter ihren Schwestern gezählt, so muss gerade da¬durch der heutige Festtag umso mehr ein Ehrentag für sie werden, wenn er den Erfolg uns vor Augen führt, dessen dieses bescheidene Wirken sich erfreuen darf.


Ohne Ihnen, verehrteste Anwesende, ein geschichtliches Bild von der Ent¬stehung und von der Entwicklung unserer Schule in den verflossenen 25 Jahren geben zu wollen und zu können, denn dazu wäre der Raum eines blossen Begrüssungswortes zu knapp, meine Kenntnisse und Erfahrung hiesiger Schulverhältnisse zu gering und der Stoff selbst in dieser engen Begrenzung zu unbedeutend, darf ich Sie doch mit kurzem Worte auf einige die Entwicklung unserer Schule nicht unwesentlich berührende Punkte wenigstens hinweisen.


a) Bevor am 9. Mai 1859 die Sekundarschule Affeltrangen eröffnet werden konnte, bedurfte es von Seite der leitenden Persönlichkeiten manchen Schrittes nach den verschiedensten Richtungen unseres Sekundar¬schulkreises mit seinen 9 Primarschulen, hinauf auf die Höhen von Strohwilen, Wolfikon, Wetzikon und von Braunau der Lauche nach aufwärts nach Märwil und abwärts nach Lommis, dem Thurtal zu nach Schmidshof-Buch und an die St.Gallische Grenze nach Bettwiesen, zu unseren Nach¬barn nach Tobel und nach Zezikon und endlich in die Häuser des eigenen Sekundarschulortes selber hinein, bis endlich eine ehrenwerte Schar von 19 Wissensdurstigen im ersten Lokale im Bollsteg versammelt werden konnte. Den Bemühungen des damaligen hiesigen Geistlichen, Pfr. Gubler, war dieser erste Schritt, diese Gründung unserer Sekundarschule zu einem grossen Teile zu verdanken, gemeinsam mit dem ihm zur Seite stehenden HH. Pfr.Bommer von Bettwiesen, Moser von Lommis, Guhl u.Kantonsrat Albrecht von Braunau, Dr. Kaiser und Verwalter Hanselmann von Tobel, unter denen der Erstgenannte sein 25-jähriges Jubiläum als Mitglied der Sekundarschul¬vorsteherschaft feiern könnte, da er ihr ununterbrochen angehört hat. 


b) Diese ersten Vorsteher wie ihre späten Nachfolger im Amte, bekamen es von Zeit zu Zeit einmal zu erfahren, dass es nicht immer leicht hält, dem allerersten Erfordernis einer Schule, nämlich der hinreichenden Schülerzahl, genügend nachzukommen. Zumal vor einigen Jahren drohte dieselbe unter das gesetzliche Minimum von 10 Schülern herabzusinken, allerdings nicht bloss hier, und darum auch nicht bloss aus Gründen lokaler Natur. Allein, wenn wir nun bis heute dennoch eine Zahl von etwa 250 Schülern erreicht haben und gerade die paar letzten Jahre die Schülerzahl kaum unter 20 blieb, so ist das aller Ehren wert und ein Ziehen davon, dass denn doch trotz vielfachen ungünstigen Verhältnissen das Streben nach höherer Bildung und nach idealen Gütern noch immer unter Vielen im Volke lebt.


c) Ein ziemlich wechselvolles Schicksal ward der Schule zuteil, in Ansehung des Lehrpersonals, ist doch der seit Herbst 1880 provisorisch an unserer Schule Wirkende, dem wir heute mit anerkennendem Danke die Ernennung zum definitiven Lehrer zu überreichen das Vergnügen haben, der 12. an dieser Stelle. Doch es scheint uns, dass die Nachteile solch öftern Wechseln aufgwogen werden durch die Tüchtigkeit der Lehr¬kräfte, deren mehrere auch in ihren nachherigen Stellungen sich aufs glänzendste bewährt haben. Es geziemt sich daher, dass wir heute dankbar der Männer gedenken, die in frischer Jugendkraft jeweilen unsere Schule geleitet haben und fast ausnahmslos trefflich gefördert haben. Wenn wir eins bedauern müssen, so ist es dieses, dass wir in Rücksicht auf die vielfach fast gedrückte Lage des Grossteils unserer Bevölkerung diesen Leistungen gegenüber unserer Anerkennung nicht greifbareren Ausdruck zu geben im Stande waren. Mögen sie aber, die darauf Anspruch haben, es am heutigen Tage empfinden, dass noch heute einem Jeden unter Ihnen dankbare Herzen hier schlagen.


Das also soll der Sinn unseres heutigen Tages sein, eine dankbare Erinnerung an das erste Viertel Jahrhundert unserer Sekundarschule, an die, welche darin gelehrt, darin gelernt und welche sonst für sie gewirkt. Grund und Recht, eine solche Erinnerung festlich zu begehen, haben wir wohl genug. Einige jener ersten Schüler, mit denen die Schule einst eröffnet worden ist, haben zwar die erste Anregung zur Veranstaltung der heutigen Feier geben müssen. Sonst wäre es nicht zu einer solchen ge¬kommen, aber wir leisteten gerne dieser Anregung Folge, weil die Schüler mit der Schule uns lieb und wert geworden sind. Wir brauchen es heute nicht erst noch zu beweisen, denn es steht als tatsächlicher Erfolg vor aller Augen. Dass gerade auch in unseren Gegenden eine Sekundar¬schule zu einer sehr erspriesslichen Bildungsstätte werden kann für höherer Bildung sonst eher abgeneigter Volksklassen. Mannigfache Vorurteile gegen eine Sekundarschule haben sich im Laufe der Jahre ganz von selber überwunden.Wo sie bis jetzt noch fortbestehen, da möge gerade der heutige Tag zu ihrer Beseitigung auch etwas beitragen. Wer gewohnt ist, im Schweis¬se seines Angesichtes sein Brot zu verdienen und von körperlicher An¬strengungen müde Glieder des Abends auf sein Lager hinzustrecken, der fühlt sich leicht zu dem Vorurteil verleitet, als wäre seine Arbeit allein wirkliche ehrliche Arbeit, während alles andere Schaffen mehr nur ein Zeitvertreib für körperlich schwächere Naturen zu betrachten sei. Schon mancher Vater hätte seinen Sohn, seine Tochter vielleicht ein oder zwei Jahre in die Sekundarschule geschickt, hätte ihn nicht die Befürchtung davon abgehalten, sein Kind möchte dadurch die Lust am «Arbeiten» ver¬lieren. Allein, mehr und mehr bricht sich denn doch die Erkenntnis Bahn, dass alle Arbeit besser, vollkommener geleistet werden kann, wenn sie nicht bloss eine mechanische Fertigkeit ist, sondern mit Bewusstsein des theoretischen Verständnis geführt wird. Nur dann ist sie auch fort¬während der Vervollkommnung fähig. Nie konnte das bisher je wahrer sein als in unsern jetzigen Zeiten, wo es gerade für das Handwerk ein unabweisliches Bedürfnis ist, gehoben und gefördert zu werden, um durch die Fabrikarbeit nicht ganz verdrängt zu werden, wo gerade die Landwirt¬schaft nur noch mit Erfolg betrieben werden kann, wenn sie mehr und mehr zu Hilfsmitteln greift, deren richtige Handhabung einem ganz Ungebildeten nicht gelingen wird. Solche Erkenntnis, sage ich, ist gewiss auch unter uns durch die Sekundarschule gefördert worden. Wir brauchen nur auf diejenigen hinzuschauen, welche aus derselben hervor gegangen sind. Viele von ihnen sind in ihrem landwirtschaftlichen Berufe geblieben, und, wenn sie in der Schule etwas Rechtes leisteten, gewiss auch nachher tüchtig geworden in ihrer Arbeit. Wer unter ihnen dem Handwerk irgend welcher Art sich zugewendet hat, der wird nicht anstehen, zu bezeugen, wie wohl ihm alle einst erworbenen Kenntnisse und Vieles davon gerade für die Ausübung seines Berufes gekommen sind. Und wenn wir endlich Lehrer, Professoren, Staatsmänner unter ihnen erblicken, wenn wir sehen, zu welchen Stellungen und zu welch tüchtigen Leistungen es nicht wenige unter ihnen gebracht haben in rechter Benützung ihrer einstigen Sekundarschulbildung, so dürften wir schon daraus nicht mit Ungrund folgern, dass die Existenzberechtigung unserer Sekundarschule nunmehr unangefochten da¬stehen müsse, gerade unter unserm Volke, sind doch gerade die unter unsern Schülern, welche es am weitesten gebracht haben, aus kleinen und meist armen Verhältnissen hervorgegangen.


Das, verehrteste Anwesende ist dankbarer Erinnerung wert, dankbarer Erinner¬ung vor Allem gegen die, welche die Schule einst gegründet und zu¬gleich gegen alle die, welche bis heute zu ihrem Gedeihen und Blühen mitgewirkt haben. Das ist das Recht, mit welchem wir heute eine Sekundar¬schulfeier begehen.


Der Zweck aber unserer Feier ist ein doppelter:

a) Er ist zunächst ein gemütliches Wiedersehen alter Freunde. Für einige Stunden soll der alte Sekundarschulort diejenigen wieder einmal ver¬einigen, die, sei‘s als Lehrer, sei‘s als Schüler, von ihren schönsten Lebensstunden in ihrer Jugendzeit hier einst zusammergebracht haben, die dann aber meist weit auseinander gekommen sind und sich seither selten oder nie wieder sahen. An den Stätten und Gefährten der Jugend haftet ja die Erinnerung stets am liebsten. Freilich, die Zeiten ändern sich und wir in ihnen. Wie ist doch so manches anders geworden zumal für die, welche den früheren Zeiten unserer Schule angehörten. Von den zwölf Lehrern sind zwei schon gestorben und auch von den 250 Schülern ist schon mancher nicht mehr. Auch von denen, die noch leben und wirken, schauen wir heute nur den kleineren Teil. Die Pflicht des Berufes hat Manchen zurückgehalten, der gerne gekommen wäre und die, welche heute hier er¬schienen sind, sie haben manches erfahren unterdessen an Freude wie an Leid. Da drücken sich dann nach langen Jahren alte Freunde gerne wieder einmal die Hand und 1000 Erinnerungen gehen durch die Seele und finden ihren Ausdruck. Und wir freuen uns, verehrteste Lehrer und Schüler und Schulbehördemitglieder, sie zu einem solchen Wiedersehen veranlasst zu haben.


Einen andern Zweck haben wir aber damit zugleich im Auge und darin werden auch Sie uns Ihre Zustimmung geben, nämlich eine Förderung unserer Schule. Wir leben der Hoffnung, dass durch die heutige Feier die Liebe zu unserer Schule und das Leben der Schule selber neue Anregung erhal¬te. Allen Eltern unseres Sekundarschulkreises möchten wir mit dem heu-tigen Tage zurufen: Schauet hin auf die tatsächlichen Erfolge, die unsere Schule zu Tage gefördert,  und versäumt nicht, Euern Kindern, wenn diese dazu fähig sind, diese Ausbildung zu teil werden zu lassen. Manche unter unseren Schülern, die heute in hohem Ansehen und wohlsituiert dastehen, verdanken es dem glücklichen Umstand, dass ein guter Freund die Eltern einst überredet hat, der Sekundarschule sie als Schüler anzuvertrauen. Wir werden solche Zeugnisse noch heute zu vernehmen Gelegenheit haben. Auch derjenige, welcher als einstiger Schüler des ersten Jahrganges und hernach als Lehrer von Oktober 1865 bis April 1870 zu Ihnen noch reden wird, ist ein solcher Schüler unserer Sekundarschule, zu dessen jetzigem Lebensglück und Ansehen jener Eintritt in dieselbe die erste Bedingung oder Veranlassung gewesen ist.

Euch vor allem aber auch, jetzige Sekundarschüler, soll die heutige Feier ein Ansporn werden zu rechter Benutzung Euerer Schulzeit. Ihr erkennt heute vielleicht noch nicht den Vorzug, den Ihr damit habt, dass man eine höhere Schulbildung Euch noch zu teil werden lässt. Euch tritt es heute vor Augen, wozu Ihr dadurch bringen könnt. Freilich, nicht von selber kommt‘s dazu, nicht ohne Arbeit und Mühe. Ihr sollt es nicht leichter ha¬ben als die andern Eueres Alters, die von Morgen bis zum Abend beschäf¬tigt sind. Nein, auch Ihr müsst alle Euere Kraft zusammen nehmen, um den Anforderungen, die an Euch gestellt werden, nachzukommen, um es zum rechten Ziel zu bringen, um in Euerm Berufe, den Ihr einst ergreifen werdet, etwas Tüchtiges zu leisten. Aber diese damaligen Schüler können Euch dazu ermuntern: dahin könntet auch Ihr gelangen mit eifrigem Streben!

Damit möchte ich Sie, verehrteste Herren Lehrer, Schüler und Freunde unserer Sekundarschule Alle begrüsst und unsere Sekundarschulfeier damit eröffnet haben.


Abgeschrieben am 20. April 1938

Johann Ulrich Schmidt · Ein berühmter ehemaliger Sekundarschüler

Ein berühmter ehemaliger Schüler der Sekundarschule Affeltrangen · Eintritt Schuljahr 1873

Professor Dr. Joh. Ulrich Schmidt (23. März 1860 – 28. Februar 1924) geboren und aufgewachsen in Buch und Eutenberg

Erster Präsident des Ehemaligenvereins

Der Text stammt von Heinz Roggenbauch, Autor des Buchs «Lebens- und Kulturraum Lauchetal»


«Ein Pädagoge von Weltruf», so steht es auf einer Gedenktafel am Hause Rebenstrasse 8 in Buch bei Märwil. In jenem Hause wurde er als ältestes von neun Kindern geboren und wuchs daselbst bei seinen Eltern, einer währschaften Bauernfamilie, auf. Die Primarschule besuchte er in Buch-Schmidshof, die Sekundarschule in Affeltrangen. Der katholische Pfarrer der Region erkannte im heranwachsenden Knaben ausserordentliche Begabungen. Er empfahl seinen Eltern, ihren erstgeborenen Sohn nach den Grundschulen studieren zu lassen. Er, der Pfarrer, unterrichtete diesen aufgeweckten Jungen in Latein. Die Begabungen, die der Pfarrer zu erkennen glaubte, sollten – wie wir noch erfahren werden – reiche Früchte tragen.


Der Name des Knaben war Ulrich Schmid, der spätere Prof. Dr. Joh. Ulrich Schmidt (23.3.1860 – 28.2.1924). Während seine Eltern, J.U. und E. Schmid-Hess, bei ihrem angestammten Namen blieben, fügte der Junior seinem Nachnamen schon im Knabenalter ein «t» an. Nach der Sekundarschule absolvierte Ulrich ein Welschlandjahr; anschliessend durfte er die Kantonsschule in Frauenfeld besuchen und studierte romanische Sprachen und Englisch. Mittlerweile – 1876 – waren seine Eltern nach Eutenberg gezogen.


Da die Mittel zu einem Hochschulstudium fehlten, wollte er sich diese Möglichkeit selbst erarbeiten. Er nahm eine Stelle als Stationsgehilfe in Bischofszell bei der Lokalbahn Gossau-Sulgen an. Nach einigen Jahren erkannte er aber, dass sein wahres Wirkungsfeld die Schule war. 1880 zog er im jugendlichen Alter von 20 Jahren nach London, wo er eine Lehrstelle für kontinentale Sprachen an der «Forest Hill Middle Class School» erhielt. Mit sehr guten Berufszeugnissen kam er nach drei Jahren zurück in die Schweiz und erhielt eine Stelle als Lehrer für Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Kalligraphie am «Institut Schmutz-Moccand» in Rolle. Um seine Italienischkenntnisse zu vervollständigen, konnte er wiederum als Sprachlehrer ein Jahr am «Collegio Misto» in der Nähe von Pisa arbeiten. Parallel dazu begann er, Vorlesungen an der dortigen Universität zu besuchen.


Aus seinen bisherigen Arbeitseinsätzen als Lehrer hatte sich Ulrich Schmidt eine finanzielle Grundlage geschaffen, die es ihm nun als 25-Jähriger erlaubte, an der Universität Zürich seine Studien aufzunehmen und 1888 als Doktor der Philosophie abzuschliessen. Kurz zuvor erwarb er sich noch ein Diplom für den Unterricht des Französischen und Englischen an höheren Lehranstalten. Gestützt auf seine umfassende Ausbildung wurde ihm, dem jungen Doktor Schmidt, im April 1888 ohne weitere Prüfungen das Reallehrerpatent für den Kanton St. Gallen erteilt. Gleich anschliessend wählten ihn die st.gallischen Behörden als Lehrer für Französisch, Englisch und Geographie an die Mädchenrealschule «Talhof» in St. Gallen.


Ein Jahr zuvor, 1887, wurde Dr. Schmidt Präsident des «English Club» in Zürich. Hier lernte er die sympathische junge Frau, Martha Reiser, kennen, die ihrerseits in Sprachen und Musik – welch sinnvolle Fügung für die spätere Tätigkeit – ausgebildet war. Aus Freundschaft wurde Liebe. Nachdem Dr. Schmidt über eine hervorragende Ausbildung verfügte und in St. Gallen eine feste Anstellung erhielt, fühlte er sich sicher, eine Ehe auf seriöser finanzieller Basis eingehen zu können. Dem Ende Juli 1888 geschlossenen glücklichen Ehebund entsprossen vier Töchter und zwei Söhne.


Neben seiner Arbeit an der Mädchenrealschule Talhof betrieb das Ehepaar Schmidt-Reiser die Pension «Löwenhof» am Rosenberg, wo sie jungen Burschen Sprachunterricht erteilten. Als die Schülerzahl auf 22 anwuchs, wandelten sie diese Pension 1891 in ein Knabeninstitut um. Im gleichen Jahr kündigte Dr. Schmidt sein Arbeitsverhältnis mit der genannten Mädchenschule, um sich mit seiner ebenfalls arbeitsfreudigen Ehefrau ganz dem «Internationalen Erziehungs-Institut Dr. Schmidt» zu widmen. Die Schülerzahl stieg kontinuierlich an, was nach zusätzlichem Schulraum rief. Dank einem Darlehen seines Schwiegervaters konnte ein weiteres Gebäude erworben und ein Neubau erstellt werden. 1893 zählte das Institut bereits 70 Schüler.


Das pädagogische Geschick von Dr. Schmidt, die tatkräftige Unterstützung durch seine Gemahlin und die tüchtigen Mitarbeiter waren Eckpfeiler des Erfolges. Hinzu kamen auch die Qualität der Ausbildung und die Tatsache, dass an diesem Institut nicht nur Wissen vermittelt wurde, sondern die jungen Menschen zu ausgewogenen Persönlichkeiten mit ausgeprägter Sozialkompetenz und hohem Mass an Selbstdisziplin erzogen wurden. Dabei hielt sich Dr. Schmidt an den Erziehungsgrundsatz von Heinrich Pestalozzi: «Das Ziel aller Erziehung ist, zu lernen das Leben zu gestalten.» Es kommt daher nicht von ungefähr, dass ihm Persönlichkeiten wie Puccini, d’Annunzio, Segantini, Ritz, Montgolfier und viele andere ihre Söhne zur Erziehung und Ausbildung anvertrauten.


Das Institut wuchs kontinuierlich und betreute im Jahre 1908 rund 300 interne und 30 externe Schüler mit gegen 35 Lehrkräften; es ist so zu einem mehrgebäudigen Grossunternehmen der Stadt St. Gallen geworden.


Die besonderen Eigenschaften des Dr. Joh. Ulrich Schmidt wurden auch in der Öffentlichkeit erkannt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er in den städtischen Schulrat gewählt, gehörte der Realschulkommission an und führte auch das Präsidium des Kreisschulrates C. Als aktiver Staatsbürger hat er auch politische Verantwortung übernommen. Zu ihm passte das Gedankengut der Freisinnig-demokratischen Partei; hier wurde er bald zum städtischen Parteipräsidenten gewählt. Von 1912 bis 1921 war er Mitglied des Grossen Rates des Kantons St. Gallen und drei Jahre lang Vizepräsident der staatswirtschaftlichen Kommission.


Der nahende erste Weltkrieg 1914 – 1918 zeitigte erste Risse im Unternehmen. Die Schülerzahlen begannen abzunehmen, was nach und nach zu finanziellen Engpässen führte. Während des Krieges wurden Ehemalige teilweise zu Gegnern und mehrere kamen im Kriege um. Diese Entwicklung machte Dr. Schmidt grosse Sorgen und könnte ein Grund gewesen sein, dass ab 1921 ein Lungenleiden einsetzte, welches sich als Lungenkrebs erweisen sollte.


Jedes Leben hat ein Ende. Zunächst aber durfte diese herausragende Persönlichkeit nochmals Freude erleben. Sein ältester Sohn Huldi hatte 1921 sein Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen und wurde wie sein Vater Doktor der Philosophie. Trotz aller ärztlichen Kunst konnte das Lungenleiden nicht mehr geheilt werden. Am 28. Februar 1924 schloss Dr. Joh. Ulrich Schmidt für immer die Augen; drei Jahre später folgte ihm seine geliebte Gattin in die ewige Ruhe an ihrem Wirkungsort St. Gallen.


Sein Sohn Huldi war damals der Unternehmensführung nicht mächtig. Dennoch, dank allergrösster Anstrengungen und mit Unterstützung von Freunden, gelang es ihm in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre, die Schülerzahlen wieder bis auf 100 zu steigern. Die Weltwirtschaftskrise von Ende der 1920er-Jahre führte dann aber dazu, dass das Werk von Dr. Schmidt sen. 1930 in eine AG umgewandelt werden musste. 1934 verliess Dr. Schmidt jun. St. Gallen, um sich an den Gestaden des Genfersees niederzulassen. Hier gründete er ein eigenes Institut, das nach seinem Tode von seinem Sohn weitergeführt wurde.


Das Institut auf dem Rosenberg musste trotz vieler Schwierigkeiten, die aus den wirtschaftlichen und politischen Problemen jener Zeit herrührten, nie geschlossen werden. Ab Mitte der 1930er-Jahre konnte diese Bildungsstätte zu neuer Blüte geführt werden; dies dank einer Familie Gademann aus Zürich, die dieses Unternehmen bereits in vierter Generation führt. Aktueller Verwaltungsratspräsident ist Bernhard O.A. Gademann, aktuelle Geschäftsführerin ist Frau Monika A. Schmid. Derzeit bildet das Institut 260 interne und 35 externe Schülerinnen und Schüler aus; diese stammen aus mehr als 30 verschiedenen Ländern.


Um den 20. März 1960, wie wir einem Artikel des Thurgauer Tagblattes vom 22.3.1960, entnehmen, wurde der 100. Geburtstag des Dr. Joh. Ulrich Schmidt in einem würdigen Rahmen gefeiert. Am Abend vor der Feier in Buch besuchte eine Gruppe von «Schmidtianern» Schloss und Gut Arenenberg und wurde am Abend in Frauenfeld vom damaligen Regierungsratspräsidenten und Erziehungsdirektor E. Reiber herzlich begrüsst und willkommen geheissen. Der Feier in Buch wohnten neben den Ehemaligen eine grössere Zahl von Bewohnern von Buch, Märwil, Affeltrangen und Zezikon bei. Festreden hielten der Ortsvorsteher von Buch, Hans Iseli, der Gemeindeammann der Munizipalgemeinde Affeltrangen, A. Bolli und Jakob Haffter aus Märstetten, ein Ehemaliger und Organisator dieser Feier. Sie alle würdigten Leben und Werk des Geehrten. Die Dorffeier wurde mit Liedern der Bucher Schüler sowie Beiträgen der Musikgesellschaft Märwil umrahmt. Der dritte Teil der Feier bestand im Besuch der Gräber von Dr. Schmidt und seiner Gattin in St. Gallen sowie dem Besuch des Instituts Rosenberg.

Share by: